Fulda (cif/aj). Mehr als 360.000 ukrainische Flüchtlinge sind inzwischen in Deutschland angekommen. Viele von ihnen suchen Wohnraum und Arbeit. So auch zwei dreiköpfige Familien aus der Nähe von Kiew. Die Besonderheit, welche die Suche nicht gerade einfacher macht: Alle Familienmitglieder sind gehörlos. Die Caritas im Bistum Fulda unterstützt die Familien auf ihrem Weg.
die beiden ukrainischen Familien mit Mutter und Tante sowie Werner Althaus vom Regionalcaritasverband Fulda und Geisa (vorne), die das internationale Zeichen für Solidarität in Gebärdensprache zeigenA. Jehn/Caritas Fulda
Schon zu Beginn des Krieges waren die beiden gehörlosen Familien aus Kiew geflohen. "Wir haben die ersten Einschläge gespürt. Meine Frau war gerade im Bad. Und wir haben sehr schnell die Taschen gepackt", berichtet ein Familienvater in Gebärdensprache. Die ukrainischen Flüchtlinge wirken zuversichtlich, auch wenn man ihnen deutlich anmerkt, dass sie der Krieg in ihrer Heimat sehr berührt. Nach Fulda kamen sie wegen der Tante des Erzählenden, sie wohnt schon seit 20 Jahren im Landkreis, ist hier verheiratet. Da sie ebenfalls gehörlos ist, pflegt sie schon lange den Kontakt zum Sozialdienst für Gehörlose, den der stellvertretende Geschäftsführer des Caritasverbandes für die Regionen Fulda und Geisa, Werner Althaus, leitet.
Die neuen Klienten zu verstehen, sei gar nicht so leicht, erklärt Althaus, denn Gebärden unterscheiden sich in den verschiedenen Sprachen. Doch mit Unterstützung der Tante klappt es. Die befreundeten Eltern, die sich schon seit der Zeit in der Gehörlosenschule kennen, hätten früh beschlossen, gemeinsam den Weg von Kiew nach Deutschland zu bestreiten, übersetzt Althaus. In kürzester Zeit packten sie das Wichtigste zusammen und flüchteten in ihren Autos. "Besonders die Kinder hatten große Angst", berichten die Erwachsenen. Die Detonationen zu spüren und nicht zu hören, sei sehr prägend gewesen. Auf der Fahrt in Richtung polnischer Grenze mussten sie immer wieder Umwege nehmen, da die Gebiete angegriffen wurden und Straßen zerstört waren, "es war sehr anstrengend", berichten sie. Zuerst ging es in die Westukraine, nahe der polnischen Grenze, wo die Familien bei der Mutter des einen Familienvaters unterkamen.
Der Weg über die Grenze war glücklicherweise kein Problem. Die Frauen waren zu Fuß über die Grenze gegangen, damit es unkomplizierter wurde. Als Gehörlose sind die Männer in der Ukraine von der Wehrpflicht befreit, somit wurden auch sie nicht von der Ausreise abgehalten.
In Deutschland angekommen führte sie der Weg schließlich zur Tante in die Nähe von Fulda. Dort leben die Erwachsenen mit den beiden sieben Jahre alten Kindern nun schon seit einigen Wochen. Die Suche nach passendem Wohnraum gestaltet sich noch schwierig. "Zwei Wohnungen in unmittelbarer Nähe, aber auch eine gemeinsame Wohnung können wir uns vorstellen", sagen die Ukrainer. Gerne wollen sie im Stadtgebiet oder Stadtrand von Fulda leben - in der Nähe der Tante. Aber eine Hürde bleibt bestehen und erfordert zeitgleich eine Entscheidung: Die beiden Kinder, ein Mädchen und ein Junge, müssen zur Schule gehen können. Die nächste Schule für Hörgeschädigte allerdings befindet sich in Homberg (Efze). "Sie haben also drei Möglichkeiten: Sie bleiben in Fulda und die Kinder pendeln, die Kinder besuchen ein Internat oder alle ziehen in die Nähe von Homberg", sagt Werner Althaus. Der nächste Schritt sei dann die Suche nach Arbeitsplätzen und auch die könne sich aufgrund der schwierigen Verständigung verzögern. Einer der Männer ist Taxifahrer, der andere Goldschmied, die beiden Frauen sind Hausfrauen.
Um Anträge und Co. kümmert sich derzeit der Regionalcaritasverband. Inzwischen sind drei weitere gehörlose Familien aus der Ukraine in Fulda angekommen, so dass nun 16 Personen durch Althaus betreut werden. Althaus gibt ihnen Tipps, wohin sie sich wenden können, füllt mit ihnen Formulare aus und unterstützt bei der Wohnungssuche - momentan in Fulda. Doch egal, wohin es die Familien in den kommenden Wochen ziehen wird, eines steht für sie fest: Wenn es wieder möglich ist, möchten sie am liebsten wieder zurück in ihre Heimat. "Auch wenn das wohl leider noch einige Zeit dauern wird", schätzen sie realistisch.