Themenabend im Caritas-Sozialdienst für Gehörlose
In der Reihe der Themenabende lud der Sozialdienst für Gehörlose, Hörgeschädigte und deren Angehörige des Caritasverbandes für die Regionen Fulda und Geisa zu einem Gebärdensprachabend ein. Ziel dieses Konzeptes ist es, gleichermaßen junge und ältere Gehörlose, Schwerhörige, hörende Verwandte von Gehörlosen, hörende Teilnehmer von Gebärdensprachkursen und CI-Träger anzusprechen. 38 Interessierte folgten der Einladung und diskutierten eifrig mit.
Vor 1880 gab es ein mehr oder weniger gleichberechtigtes Nebeneinander von Lautsprache und Gebärdensprache in der Bildung gehörloser Menschen. In Frankreich war dies die Zeit von Abbé Charles-Michel de L'Épée und in Deutschland u.a. die von dem gehörlosen Direktor der Taubstummenanstalt in Bad Camberg Hugo Freiherr von Schütz zu Holzhausen. Die Hörgeschädigtenschule in Bad Camberg trägt noch heute seinen Namen und hat sich in einem beeindruckenden Projekt mit dem Leben und Wirken des ersten (und einzigen) gehörlosen Direktors auseinandergesetzt. Die „Oralisten“ haben sich mit Samuel Heinecke durchgesetzt und 1880 im sogenannten Mailänder Kongress die ausschließliche Verwendung von Lautsprache in Hörgeschädigtenschulen erwirkt. Dies hat über 100 Jahre das pädagogische Konzept und das Leben der gehörlosen Kinder bestimmt. Offiziell wurde diese Richtung erst am 20. Juli 2010 in Vancouver, Kanada bei der internationale Konferenz zur Bildung und Erziehung Gehörloser (ICED) korrigiert.
Die Beschlüsse in Vancouver sind stark zusammengefasst folgende:
- Alle Beschlüsse vom Mailänder Kongress 1880, die die Nutzung der Gebärdensprache in Bildung und Erziehung verboten haben, werden zurückgewiesen.
- Für die negativen Folgen des Mailänder Kongresses wird sich bei den Gehörlosen ausdrücklich entschuldigt.
- Alle Länder werden aufgerufen, Bildungsprogramme für Gehörlose zu entwickeln und alle Sprachen und Kommunikationsformen zu respektieren.
Im Themenabend wurde sich dann mit dem Leben und Wirken u.a. von Hugo Freiherr von Schütz zu Holzhausen auseinandergesetzt und erkannt, dass die Kultur Gehörloser heute viel weiter wäre, hätte es nicht den „Einschnitt“ 1880 gegeben. Dennoch können Gehörlose Stolz auf das bisher erreichte, z.B. die Anerkennung der Gebärdensprache und Gebärdensprach-Poesie sein.
Werner Althaus versprach, die Reihe fortzusetzen und würde sich über Themenwünsche freuen.
Für die nächsten Themenabende stehen noch keine Termine und endgültigen Themen fest. Sicher ist aber, dass wir uns wieder mit einer gehörlosen Künstlerin beschäftigen, einen Länderabend vorbereiten und uns das Leben eines außergewöhnlichen Menschen anschauen wollen. Alle Interessierten werden zu den neuen Terminen wieder eingeladen, bzw. können im Sozialdienst für Gehörlose in Fulda nach den neuen Terminen erkundigen.